Das winterliche Leben in der Provence

Was hält einen im feucht-kalten, trüben Winter in Ostthüringen?

Klar gibt es Einiges und es ist immer noch meine Heimat.

Aber die Möglichkeit den Winter in einer meiner Herzensgegenden zu verbringen, auf einem Hügelkamm über Apt, im Luberon, in der Provence, im Süden Frankreich, übte eine unwiderstehliche Anziehung auf mich aus.

Nun bin ich hier, seit Mitte November schon und überlege doch ernsthaft, hier ein ganzes Jahr zu verbringen.

Angekommen bin ich nach knapp 1300 Kilometern Fahrt bei 18 Grad warmen Sonnenschein. Quer durch Europa war es nass, kalt und ziemlich neblig. Bis Lyon. Dort riss der Himmel auf und mit jedem Kilometer, den ich weiter fuhr, wurde es wärmer und sonniger.

Was für ein Empfang! Nach gut 12 Stunden Fahrt war ich nicht müde und erschöpft.

Die Aussicht: gen Norden auf der Berge des Vacluse, im Westen der große und der kleine Luberon, im Süden auf ein Lavendelfeld, dahinter im Tal Apt …

 

Der Winter in der Provence ist noch mal etwas ganz besonderes. Klar regnet und schneit es sogar mal ein wenig und unterhalb des Mont Ventoux, im Vacluse gibt es ein kleines Skigebiet, aber die meiste Zeit scheint die Sonne, der Himmel ist sehr blau, man kann draußen sitzen, tritt bei Spaziergängen fortwährend auf Thymianbüschel und ist augenblicklich von intensivem Duft umgeben. Es ist alles etwas ruhiger und viel Zeit für Gespräche. Es gibt keinen Stau. Die saisonalen, kulinarischen Genüsse sind preiswert und jeweils mit ausgiebiger Besprechung zur Zubreitung zu haben.

Selbst der Jäger im Wald klärt einen auf, wie man Wildschwein zubereiten müsste und schenkt einem die Pilze dazu. Die Schweine laufen zum Glück noch herum und sind nicht in der Pfanne gelandet.

 

Samstags ist Markt in Apt, einem der schönsten in der Provence und auch im Winter ein Erlebnis. Heute ist es nun endlich wieder milder, nach einigen frostigen Nächten und leichten Schneefall Anfang der Woche.
Trotz Wind und Nieselregen war recht viel los in Apt und wie immer quer durch die Stadt viele Händler vertreten.
Zu den Obst- und Gemüsehändlern, den Wurst- und Fleischständen, dem Fisch und allerlerei Meeresgetierangebot, den Bäckern und den Pâtissierien gibt es auch die Stände mit den Waren des täglichen Bedarfs und natürlich Stoffhändler und Kleidungsstände. Für mich gibt es das hier in Apt alles in der richtigen Menge und ist in einer guten Mischung vertreten.
Auf dem Markt montags in Cavaillon überwiegen die Kleidungs- und Schuhhändler neben (in meinem Augen) allerlei Spiddel. Was man eben zum Leben auf dem Lande so braucht. Unter Anderem für den harten Winter in der Provence unerlässlich 😉 dicke Strampelanzüge in allen Größen. Man stelle sich mal den gestandenen, strammen Jäger oder robusten Bauern im Strampelanzug aus ganz dickem Frottee vor!

Bei den Provencialen ist der gefürchtete Kältetod ein wichtiges Gesprächsthema. Wenn die Temperatur unter 10 Grad Plus fällt, ist er allgegenwärtig.

 

Herausragende Rolle bei den Märkten im Winter spielt der Markt samstags in Richerenches, der weltgrößte Trüffelmarkt. In dem 500 Einwohner-Dorf trifft sich von November bis März die ganze weite Welt. Bei der Anfahrt sieht man schon von weitem die Ruinen der Gemächer des Templerordens  um die herum Richerenches angelegt ist und man riecht mehrere Kilometer vorher die Trüffel. Es sei denn, es weht der Mistral, dann bekommt man nur gelegentlich Duftwolken ab, die dafür dann aber noch intensiver sind. Eine Straße entlang ist der offizielle Trüffelmarkt und dort gibt es neben verschiedenen Trüffeln zu offiziellen Preisen, kulinarisches aus der Provence und alles um die Trüffel herum. Und vieles zu erstaunlich moderaten Preisen. Die beiden Dorf-Cafés dürfen natürlich nicht fehlen. Eines ist recht modern und viele Transaktionen werden anscheinend dort auf der Toilette gemacht, dass einen der Trüffelduft auf das Intensivste trifft. Im anderen geht es gemächlicher zu. Man sitzt draußen in der Sonne mit Café Creme, Weißwein und verschiedenen Austernsorten, die es gleich am Stand nebenan gibt und einem geöffnet zum Tisch gebracht werden, beobachtet das Treiben und genießt einfach. In der kleinen Boulangerie des Dorfes, des Bäckerladens, gibt es die üblichen, von der älteren Dame, die hinter dem Ladentisch steht, liebevoll bereiteten Köstlichkeiten vom schlichten Baguette, über die Fougasse, ein typisches provencialisches Brot bis zum Pain au Chocolate, das leckerste Schokoladenbrötchen, das ich bisher aß, alles nur solange wie der Vorrat reicht und man sollte sich schon beeilen, noch etwas zu bekommen.

 

All zu viel sollte man aber davon nicht essen, erstens macht das kein Franzose auf der Straße und zweitens muss man an den meisten Ständen kosten. Vom Wein über den Trüffelaperitif, das Trüffelöl, Tiramisu mit Trüffellikör, Wurst, Käse und Schinken bis zum vielfältigen Nougatangebot, dass hier Nougat heißt, aber wie türkischer Honig schmeckt.

 

Selbstverständlich könnte man auch junge Trüffelhunde mit Stammbaum erwerben, denen nur noch die Ausbildung fehlt und ein- oder zweijährigen Eiche, deren Wurzeln mit Trüffelsporen geimpft sind, von denen man in ca. 80 Jahren die eigenen Trüffel ernten kann.

 

Neben den Marktständen, den beiden Cafés, der Boulangerie, dem Lotto- und Tabakladen, dem kleinen Lebensmittelgeschäft und der Bibliothek in der einen Strasse von Richerenches gibt es in einer Seitenstraße, die Hauptstraße kreuzend den inoffiziellen Trüffelmarkt, wo die Trüffel kiloweise und meist auf Bestellung direkt aus dem Kofferraum verkauft werden um von dort direkt zu den besten Restaurants der Welt zu gehen.

 

Die Fahrt zurück von Carpentras nach Apt führt durch eine herrliche Schlucht und über einen Pass.

 

Einer der unvergleichlichen Genüsse des Winters ist der neue Wein ab Februar. Der letztjährige Wein der DOMAINE DE FONT ALBA, dem Weingut der Familie Vuitton, mit dem  Weingut DOMAINE   DU   PUY  MARQUIS unsere nächsten Nachbar hier auf dem Colline des Puits, dem Hügel der Quellen, war im Herbst schon ausverkauft und nun werden die 2012er mit Spannung erwartet. Sie gehört zum Anbaugebiet „Côtes du Ventoux“ auf Hängen mit steinigen, tonhaltigen Kalkböden. Die Weine von kräftiger Farbe entwickeln ein Bukett mit fruchtiger Note, von Gewürzen und Lakritze. Der Geschmack ist abgerundet und bietet eine Struktur von samtiger Gerbsäure, die ihm ein gutes Potential zum Altern verleiht.

 

Ausflugsmöglichkeiten gibt es hier genug und im Winter ist alles schön ruhig, ohne Gedränge. Über Lacoste im Parc naturel régional du Luberon, eines der malerischen Bergdörfer an den Hängen des Luberon, befinden sich die Ruinen der gleichnamigen Burg Lacoste, im 18. Jahrhundert der Wohnsitz des Donatien-Alphonse-François de Sade, dem Namensgeber des Sadismus.

Rustrell, am Fuße unseres Hügels ist bekannt für seine verschiedenfarbigen Ockerfelsen. An einigen Stellen wird noch Ocker abgebaut, um daraus Naturfarben für das Kunstgewerbe zu gewinnen. Die Einheimischen erzählen, dass über 20 verschiedene Farben gewonnen werden könnten. Roussillon ist als eines der Plus beaux villages de France (schönste Dörfer Frankreichs) klassifiziert und hat durch den Ockersteinbruch am Sentier des ocres und die ockerhaltigen Erden, in malerischen Ockertönen gehaltenen Häuser an den Hängen des Luberon für mich den Titel wirklich verdient.

Zwischen 1942 und 1945 versteckte sich Samuel Beckett in Roussillon vor der deutschen Wehrmacht und setzte der Stadt in seinem Theaterstück Warten auf Godot ein Denkmal.  Saigon thront ca. 3 Kilometer über Apt  und der Aussichtsfelsen mit Blick über die Berge des Vaucluse bis zum Mont Ventoux und ist von weit her zu sehen. Von Saignon aus kann man auch prima auf unseren Hügel, den Colline des Puits schauen.

 

Es gibt vieles, was mich in die Provence zieht, die Aussicht, die Farben, die Düfte, die Lebensart- und weise … und ganz besonders genieße ich die Provence, den Luberon im Winter.

Domaine des Font Alba

Domaine des Font Alba

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